Gutsch / Leo, Single. Family.

Jochen-Martin Gutsch/Maxim Leo, Single. Family. Zwei Männer. Zwei Welten. 66 wahre Geschichten. Herder, Freiburg – Basel – Wien 2005. ISBN 3-451-28553-3. 155 Seiten, € 14,90.

 

Es wird viel geredet von der Vielfalt der Kulturen und vom friedlichen Zusammenleben. Und das zu Recht, treffen doch in unserer globalisierten Welt die verschiedensten Menschen aufeinander: Christen und Muslime, Europäer und Asiaten, Ost- und Westdeutsche – oder eben auch Singles und Familienväter.

Gerade die letztere Konstellation nehmen die zwei Autoren in den Blick, da sie davon selbst betroffen sind. Auch wenn sie beide viel gemeinsam haben (Anfang 30, Journalisten in Berlin, sogar dasselbe Büro), trennt eine Ehefrau nebst zwei kleinen Kindern bzw. das Singledasein sie beide voneinander. Und damit ihre Erfahrungswelten, die sie in eine wöchentliche Kolumne ihrer Zeitung einbringen.

Daraus sind die 66 „wahren Geschichten“ entnommen, die im Buch gesammelt sind – abwechselnd aus der Sicht eines Vaters und eines Alleinstehenden geschrieben, je zwei Seiten lang, knapp, pointiert. Und „wahr“ in dem Sinne, das sie aus dem Leben gegriffen sind, aus den Erlebnissen mit realen Personen, die sich allerdings nicht vor den Kopf gestoßen fühlen sollen: „Wir geben ihnen deshalb andere Namen, wir verändern ein wenig ihre Persönlichkeit, ihre Geschichten, wir übertreiben und hoffen, dass sie sich nicht erkennen“, erläutern Gutsch und Leo ihre Arbeitsweise.

Herausgekommen sind Einblicke in männliche Lebenswelten. Selektive – Dreißigjährige in Berlin leben anders als etwa Fünfzigjährige im Allgäu. Aber dennoch wird jeder sich oder Menschen aus seiner Umgebung wiedererkennen.

Im Buch geht es v. a. um Beziehungen: zu Frauen und Kindern, aber auch zu Freunden und zu den eigenen Eltern, bei deren Besuch man selber wieder zum Kind wird. Und darum, wie das Leben, das man führt (Single oder Vater), das eigene Denken und Verhalten prägt.

Der Single wundert sich, dass ein Vater ohne zu zögern in der Nacht aufsteht, wenn er gerufen wird. Oder dass Eltern ganz begeistert auf Worte ihrer Kinder reagieren, die Nicht-Eltern nur als unartikulierte Laute erscheinen. Ebenso unverständlich bleiben Kita-Eltern-Bastelabende, die Vorliebe von Frauen für Picknicke, Familienfotos, „Trennung als Denkmodell“ oder die Pflege von Zimmerpflanzen (außer Kakteen).

Der Vater fühlt sich als Duracell-Hase, der ohne zu denken alles tut, was ihm Frau, Kinder oder Chef abverlangen. Er fürchtet sich davor, wenn seine (noch kleinen) Töchter erstmals einen Freund mit nach Hause bringen, und entdeckt dabei die Vorzüge eines strengen islamischen Familiensystems. Er gesteht seine Abhängigkeit von den Zetteln, die ihm seine Frau schreibt. Und er berichtet von Eltern-Nachmittags-Sex, von der „Weil-das-eben-so-ist“-Kapitulation vor den ewigen Warum-Fragen der Kinder und von der Angst vor dem Glück.

Beide Autoren geben so Einblicke in ihr Leben, in ihren Alltag als Mann und in ihre Umwelt – vom Fitness-Studio bis zum Paarkochkurs. Nicht tiefschürfend und analytisch. Aber nachdenklich, selbstkritisch, phantasiereich, welterklärend – und immer humorvoll. Für den Leser ist es vielleicht beruhigend, dass es anderen Singles und Vätern ähnlich geht; oder dass das Leben um einen herum oft noch ein Stück verrückter ist als das eigene.

 

Martin Hochholzer

 

 

 

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